wir alle Verpackungen, die wir im Laufe unseres Lebens entsorgt haben, wie eine Schleppe hinter uns herziehen würden?
54 kg Müll im Monat
620 kg Müll im Jahr
54 t Müll im Leben
leise knisterte das Bettzeug oder ein vergessener Bonbon unter dem Kopfkissen. Samstag, eigentlich hatten Sie ausschlafen wollen, aber die Nachbarin hatte ihr Radio aufgedreht und es drang lautes Lachen gepaart mit einer Mischung aus Entsetzen, Zynismus und Ungläubigkeit durch die Wand. Seit Covid sind plötzliche, früher unmögliche Regelveränderungen, keine Undenkbarkeit mehr. Langsam dreht sich Romina um und versucht zu entziffern, was die unerhörten News des Tages sind.. Aber sie kann keinen Sinn aus den Ausrufen und dem Gelächter stricken und steht schließlich leicht genervt und unausgeschlafen auf: Wasser ins Gesicht, die letzte Premiere steckt uns noch in den Knochen und dann Kaffee, Flugmodus ausschalten, den Computer im Vorbeigehen anmachen und da steht es auch schon, groß als Schlagzeile auf der Startseite von Spiegelonline:
Ab dem 7. September 2024 sind alle Bürgerinnen verpflichtet, bei Bewegungen im öffentlichen Raum ihren Müll, wie eine Schleppe hinter sich herzuziehen. Bis dahin gilt eine Karenzzeit von 2 Wochen, in denen das angesammelte Material zu arrangieren ist. Entsorgungen und heimliche Verbrennungen werden strengstens untersagt und mit hohen Geldstrafen ggf. Freiheitsentzug geahndet. Familien, Paare und Wohngemeinschaften sollten sich untereinander einigen, wer welches Material in seine Schleppe aufnimmt, oder eine gemeinsame Schleppe ziehen und sich symbiotisch miteinander und ihrem Abfall verbinden. Da der globale Süden die Aufnahme allen Mülls der EU und anderer westlicher Länder seit Monaten bestreikt, sich der Verpackungsmüllkonsum aber nicht signifikant den nun in Europa entstehenden Entsorgungsproblemen anpasst, sieht sich die EU gezwungen, dieses drastische Gesetz einzuführen, um die Menschen vor sich selbst zu schützen.
Jeder Haushalt erhält in den kommenden Tagen eine Lieferung einer recyclten Folie, die als Basis für die Schleppen dienen soll. Workshops wie das Material arrangiert werden kann, werden von speziell geschulten Fachkräften in den Einwohnermeldeämtern angeboten, Befestigungswerkzeuge und Materialien werden von den Kommunen gestellt. Die Bürgerinnen werden angehalten, den Müll, der seit 2 Wochen angefallen ist, zu säubern um die Verbreitung von Keimen möglichst gering zu halten. Auch hier ist bei Missachtung eine Strafgebühr fällig. Die Anordnung gilt bis auf weiteres.
Romina schaut sich ungläubig um, dann wieder auf den Bildschirm, lädt die Seite neu. Von drüben das immer freudloser klingende Gelächter der Nachbarin und ihres Freundes. Sie schaut auf ihr Handy und entdeckt eine Nachricht des Bundesministeriums für Umwelt und Naturschutz, Nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: Derselbe Text wie auf der Nachrichtenseite. Sie prüft die Tagesschau, deutschlandfunk, Süddeutsche, taz. Sie versucht herauszufinden, ob die Seiten gehackt sind- ruft ein paar Freund:innen an. Guckt sicherheitshalber auch noch bei der Welt und schliesslich auf der offiziellen Seite der EU Kommission
Dann dämmert die Realität und der Tag neigt sich in der Sommerhitze.
Aus dem Plastikmüll steigt eine Fruchtfliege auf.
Sie öffnet den Mülleimer und ihr wird schlecht.
Dann lässt sie heißes Wasser ins Waschbecken ein – Spüli - Handschuhe - und spült die Verpackungen von den Essensresten und sonstigem Dreck.
Am Ende liegt eine Menge Plastik da. Fancy Verpackungen, auf die Sie beinah stolz ist, fairer besonders guter Kaffee aus Lateinamerica in einer opaken schwarzen Tüte mit zurückhaltendem Schriftzug, aber auch billige dünne Verpackungen, transparent und mit viel aufgedruckter „Information“: Heimat steht da und delicious und kernlos und so weiter. Die Verpackungen trocknen und sie geht das Altpapier durch, in den Keller zu ihren Mülltonnen. Stoffreste, ein altes Kleid und viel zu privater Müll: Medikamentenreste, Steuerbescheide, Kreditkartenabrechnung, aber auch guilty pleasures- mac donaldschachteln, endlose Eispackungen.. 30 x Thunfischpizza.. Kartons vom grad gekauften Flachbildschirm, einem Billigteppich, neue Lautsprecher und alte Baufolien, die sie letztes Jahr schon wegeschmissen haben wollte..
EXPERIMENTAL WORKSHOP
26.08-06.09.2024
Mo - Fr, je 18-21 Uhr
PLATZprojekt
Fössestraße 103, 30453 Hannover
PERFORMANCE und PARADE
07.09.2024
ab 12 Uhr
KULTURDREIECK FESTWOCHEN
Sophienstraße, 30159 Hannover
NOISE RITUAL & PARTY
07.09.2024
ab 17 Uhr
Contigelände, Limmer
Experimental Workshop und Labor
Wie sortierst du? Was ist Abfall und was ist Produkt? Wir laden dich ein zum Dialog. Im Workshop wird es jeden Abend einen anderen thematischen Schwerpunkt geben: New Materialism/Ecofeminism/Symbiozismus, Kokreation, Produkt und Abfall zu verschiedenen Zeiten, Expert:innenvorträge z.B. aus der Recyclingindustrie, Kulturelle Sortierungen, ortsspezifische Knappheit und Überfluss u.a.
Der Workshop ist eine experimentelle Mischung aus geistiger Auseinadersetzung und Praxis: Im Laufe des Workshops werden wir eine SCHLEPPE herstellen, aus den von den Teilnehmer:innen gesammelten Verpackungen.
Parade
In einer großen Schau im Rahmen des Kulturdreieck Festwochen wird die SCHLEPPE schliesslich in der Innenstadt gezeigt und interaktiv erweitert um die Verpackungen der Passant:innen: Am Samstag 7.9.24, ab 12 Uhr auf der Sophienstraße, Hannover.
Noise Ritual & Party
Gegen 14 Uhr bewegen wir uns anschliessend mit der SCHLEPPE durch die Innenstadt in Richtung Contigelände Limmer. Dort wird die SCHLEPPE als elektronische Noise-Soundinstallation von Musiker Bernhard Hollinger bespielt. Wir feiern den Auftakt des KOLLEKTIV súper und ein Ritual des Staying-with-the-trouble in der industriell verlassenen, überwucherten Kulisse.
Komm vorbei und bring deinen Müll mit!
Die SCHLEPPE wird auf der Sophienstraße präsentiert und um die Verpackungen der Passant:innen und Zuschauer:innen erweitert. Währenddessen erfasst Musiker Bernhard Hollinger die Klänge des Materials live und gestaltet den Sound der SCHLEPPE.
Anschließend ziehen wir die SCHLEPPE in Richtung des ehemaligen Contigeländes nach Limmer.
Ab 17 Uhr feiern wir eine Noise-Party und ein Staying-with-the-trouble-Ritual im industriell überwucherten Raum. Be there & bring your friends!
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